Die Vorarlberger Plattform für Menschenrechte ist ein Zusammenschluss von derzeit 50 Vorarlberger Organisationen, die sich auf verschiedenste Arten für die Menschenrechte einsetzen. Sie veranstaltet jährlich einen gemeinsamen „Vorarlberger Tag der Menschenrechte“, heuer am Sonntag, den 15. Dezember 2019, im Spielboden Dornbirn.
Einladung zum Menschenrechtstag 2019
Diesjährige Gastrednerin ist Dr. Franziska Schutzbach, Soziologin und Geschlechterforscherin an der Uni Basel. Sie spricht zu dem Thema: „Wie den Menschenrechten schleichend ihre Grundlage entzogen wird.“
Schutzbachs Vortrag zeigt auf, wie durch eine bestimmte Rhetorik und durch ausgeklügelte Kommunikationsstrategien rechte oder rechtsextreme Positionen in der gesellschaftlichen Mitte salonfähig gemacht werden. Neben der Analyse dieser Mechanismen und Dynamiken werden auch Gegenstrategien diskutiert.
Rechtsextreme Kommunikationsstrategien betreffen auch die katholische Kirche: Glaube kann sehr leicht identitär missbraucht werden. Dazu publizierte das European Parliamentary Forum for Sexual & Reproductive Rights im April 2018 die Studie „Restoring the Natural Order: The religious extremists’ vision to mobilize European societies against human rights on sexuality and reproduction“. In der Studie geht es um den strategischen Gebrauch von Sprache zur Verächtlichmachung von Minderheiten und um die Bedeutung des Gender-Diskurses für die politische Rechte.
Das EPF ist als Netzwerk von europäischen Parlamentarier*innen eine anerkannte Organisation, die zu den Themen Sexualität und Entwicklung arbeitet. Das EPF setzt sich für den Schutz der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und die Rechte der verletzlichsten Menschen auf der Erde ein. EPF-Vertreter*innen fordern, dass Frauen das Recht haben sollten, über die Anzahl ihrer Kinder zu entscheiden, und dass ihnen die Aufklärung, die sie benötigen, um dies zu erreichen, nicht vorenthalten werden darf. Diese Forderung steht nicht im Gegensatz zur katholischen Moraltheologie.
Dennoch vertreten das EPF und EPF-Mitgliedsorganisationen auch eine Reihe von Positionen, von denen sich plan:g distanziert; das betrifft z. B. den Umgang mit Verhütungsimplantaten (wie von der Melinda and Bill Gates Foundation ohne ausreichend gesicherte Entnahmemöglichkeit gefördert), frühere Thesen zur Überbevölkerung (z. B. geäußert von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung) oder die Teilnahme der pharmazeutischen Industrie (mit ihren ganz eigenen Marktinteressen). Die Verantwortung für die deutsche Übersetzung der EPF-Studie liegt bei pro familia, der Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e. V. (mit der die katholische Kirche z.B. in Fragen des Schwangerschaftsabbruchs nicht übereinstimmt).
Restoring the Natural Order, Studie, englisch, von EPF
Die EPF-Analyse, dass christliche Positionen enggeführt werden und dann nahtlos an rechtspopulistisches und rechtsextremes Gedankengut anschließen, ist trotz anderer inhaltlicher Differenzen sehr ernst zu nehmen, der Austausch darüber wertvoll. (Das gilt im Übrigen auch für den Dialog mit pro familia: „Der Austausch und das Gespräch [...] bedeuten keine Unterstützung politischer Anliegen oder ethischer Haltungen, die nicht mit der Lehre der Kirche vereinbar sind“. Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), am 12.9.20122 gegenüber kath.net zur Kooperation der katholischen Kirche mit pro familia im Rahmen der Deutschen Arbeitskreis für Jugend-, Ehe- und Familienberatung, DAKJEF).
Die schmerzhafte Feststellung der EPF-Studie in Kurzform: Klerofaschismus ist ungesund. Dieser alte Bruno-Kreisky-Vorwurf unterscheidet nicht zwischen politischer Religion und theokratisch orientierter Ideologie. Er ist damit sicher kein Begriff der differenzierten politischen Analyse, sondern ein sehr grundsätzlicher Vorwurf. Aber in Zeiten, in denen nicht nur die (vorgebliche) „Alternative für Deutschland“ gegen einen imaginierten „Genderwahn“ hetzt, muss sich Kirche und muss sich plan:g mit dem Vorwurf auseinandersetzen. Denn die Rezeption und Weiterentwicklung rechtsextremen Gedankenguts durch Christ*innen, die Verfolgung von Homosexualität oder die Engführung der Diskussion um Gesundheit und Gender berühren direkt das Mandat von plan:g – Partnerschaft für globale Gesundheit als einer menschenrechtlich arbeitenden Organisation im Gesundheitssektor der Entwicklungszusammenarbeit. In plan:g-Parterländern werden die Menschenrechte nichtheterosexueller Menschen massiv verletzt; dies auch unter Mitwirkung der katholischen Kirche vor Ort: Darüber müssen Katholik*innen verstärkt miteinander sprechen und in einen politischen, moraltheologischen und pastoralen Dialog kommen.
Darum wünscht plan:g der EPF-Studie innerkirchlich einen großen Leser*innenkreis und eine Debatte. Gendersensible Arbeit (als Genderideologie diffamiert) ist zu einem diskurstötenden Schibboleth geworden: Das können sich in den herausfordernden Zeiten des Wandels weder säkulare Gesellschaft noch Kirche leisten.
Der Vorarlberger Tag der Menschenrechte wird Beiträge zu einer lebendigen Debattenkultur und zum Dialog leisten.
Was: Vorarlberger Tag der Menschenrechte
Wann: 15. Dezember 2019, 15:00 Uhr
Wo: Spielboden, Dornbirn
Programm:
15:00 Ankommen an den Infotischen: Vorarlberger Menschenrechtsorganisationen stellen sich vor
17:00 Vortrag und Diskussion mit Dr. F. Schutzbach
19:00 Ausklang mit tschetschenischem Buffet
Musik: Glissando Saxophonquartett
Und: vieles mehr
Mehr Info: Katholische Kirche Vorarlberg und http://www.menschen-rechte-leben.at/