Verfolgung beenden, Freiheit annehmen und Dialog fördern.
Verschaff mir Recht
Die Ausstellung „Verschaff mir Recht“ wurde von der Arbeitsgemeinschaft Homosexuellenpastoral erarbeitet und von plan:g mit wenigen Anpassungen übernommen. Unser Ziel: Wir wollen als österreichischer Partner der Entwicklungszusammenarbeit dialogfähiger werden. Wir möchten sowohl bibelexegetisch (siehe oben: Martin Hasitschka) wie auch theologisch und in der liebevollen Wahrnehmung verfolgter Menschen menschenrechtsorientiert arbeiten. Dazu brauchen wir Ihre Hilfe, Ihr Interesse an der Thematik und Ihr Interesse, als Multiplikator*in zu wirken.
Hier können Sie die 15 Roll-Ups der Ausstellung bestellen. Wir freuen uns, wenn Sie die Portokosten übernehmen können.
Untenstehend finden Sie eine geschwärzte Version des Roll-Ups. Mit der Schwärzung möchten wir die gezeigten Personen schützen. Außerdem geht es uns im Dialog in deutscher Sprache auch um die Anliegen des Regenbogenpastorals bei uns in Österreich: Was das Verhältnis der Kirche zu Menschen angeht, die nicht heterosexuell sind, versperren uns auch innerhalb Österreichs noch eine ganze Menge Balken den Blick auf Gottes Liebe.
Dennoch, das ist zu betonen, ist der Dialog mit Missions- und EZA-Gruppen aus Österreich unabdingbar. Denn wenn wir im weltkirchlichen Gespräch nicht dialogfähiger werden, versagen wir in Sachen Mission und machen uns mitschuldig an der Verfolgung von Minderheiten.
Wir danken Ihnen sehr herzlich, wenn Sie sich dafür engagieren, die Ausstellung an möglichst vielen Orten in Österreich zu zeigen: Wandel und Veränderung beginnen bei uns. Bitte wandeln Sie mit.
Die gezeigten Menschen sehen auf den ungeschwärzten Fotos genauso aus wie Sie: Wie ein liebenswerter Mensch. Bitte schauen Sie hin. Zeigen Sie Haltung. Bitte verschaffen Sie ungerecht behandelten Menschen Recht.
Schwierige Beziehungen?
Die heilige und sündige Kirche hat sich mit Sexualität, Lust und Last nicht immer leicht getan. Es geht um Beziehungen, damit auch um Machtbeziehungen. Und in einer kolonialen, globalisierten Welt geht es um globale Machtbeziehungen. Dialog ist notwendig. Und wir in Österreich können und müssen anerkennen, dass katholische Kirche tiefgreifend in sündige Strukturen verstrickt ist.
Bischof Wilmer über die sündige Kirche. Mit freundlicher Genehmigung des „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Regenbogenpastoral
Dodoma-Erklärung
Dodoma-Erklärung zur gleichgeschlechtlichen Ehe
Dodoma, 7. Januar 2010
Übersetzung aus d. Englischen: Amt der VELKD, 29.07.2010
1. Vorwort
1.1 Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania (ELCT) dankt Gott, dass er in seiner unermesslichen Weisheit und durch seinen Sohn Jesus Christus alle seine Gläubigen in der Welt miteinander verbunden hat, ein Leib zu sein, und uns so zu einer Gemeinschaft zusammengefügt hat. So können wir miteinander gehen und in der Mission Gottes wachsen.
1.2 In unserer Beziehung als ein Leib haben wir auf viele verschiedene Weisen in schwierigen und leichten Dingen Angelegenheiten zusammengewirkt. Dass wir in der ganzen Zeit beisammen bleiben konnten, ist der Gnade Gottes zu verdanken und auch unserer nicht nachlassenden Liebe zur gesamten Kirche, zu den regelmäßigen Gottesdiensten, in denen wir unseren Glauben bekennen und daran glauben, dass die Kirche Gottes eine ist, heilig, allgemein und apostolisch. Daher muss jeder Vorfall in einer Kirche, der abweicht und nicht konform ist mit Standpunkt und Lehre, wie sie viele Jahrhunderte in der ganzen Kirche Gottes anerkannt waren und bejaht wurden, unvermeidlich Bestürzung und anderweitige Reaktion in anderen Kirchen überall auf der Welt hervorrufen.
1.3 Zurzeit ist einer dieser ungewöhnlichen Vorfälle nach Ansicht und Verständnis der ELCT, dass einige Kirchen – besonders in Europa und Amerika – beschlossen haben, gleichgeschlechtliche Ehen zuzulassen. Die betroffenen Kirchen geben unterschiedliche Gründe an in dem Bemühen, ihre Beschlüsse zu verteidigen. Hier möchten wir zusammenfassend nur einige der Gründe nennen, die von diesen Kirchen vorgetragen werden.
1.3.1. Sie behaupten, dass die Lehre der Kirche entsprechend der Heiligen Schrift sich an „Mann und Frau“ richte – womit sie Raum lasse zu eigener Entscheidung; dagegen lautet aber das Jahrhunderte alte Verständnis, dass die Ehe ausschließlich für „Mann und Frau“ bestimmt ist. So entziehen sie der authentischen biblischen Wahrheit, dass nämlich die Ehe nur zwischen „Mann und Frau“ gilt, Stück für Stück den Boden und schwächen sie ab. Sie bringen ihre „neuen und fehlgeleiteten“ Interpretationen vor, die der lange Zeit gültigen Lehre der Kirche und dem Verständnis des Wortes Gottes, wie es seit unvordenklichen Zeiten bestand, widersprechen. Einige der Bibelverse, die Opfer der Kritiker und der Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe geworden sind, sind die folgenden: 1. Mose 1,27-28; 2,24; Mt 19,5-6a; Rö 1,26-27a; Gal 3,28. 1.3.2 Sie behaupten, dass das Wesentliche in einer Ehe oder in einer anderen Form ehelicher Beziehung die Liebe sei. Sofern die beiden Menschen einander lieben, sei eine solche Beziehung recht und legal, behaupten sie.
1.3.3 Sie behaupten, dass außerdem die Umstände heutzutage sich gegenüber den Bedingungen und Gegebenheiten in biblischen Zeiten geändert haben hinsichtlich dessen, was in einer Liebesbeziehung und Ehe rechtlich erlaubt ist und was nicht erlaubt ist. Darüber hinaus behaupten sie, dass die Frage nach Werten, Tugenden und Moral sich je nach Zeit, Ort und Umständen verändert. Solche Behauptungen stellen eine Verzerrung dar, indem sie das, was als Sünde eingestuft ist, abhängig machen davon, wo und wie sie begangen wird. In diesem Zusammenhang möchten sie, dass die gesamte Kirche ihre Ansicht hinsichtlich Liebe und Ehe, besonders bei gleichgeschlechtlichen Partnern, ändert, weil sich die Dinge im Lauf der Zeit weiterentwickelt haben. Außerdem beklagen sie, dass die Kirche sich nicht mit den Zeiten verändert und dass es „altmodisch“ ist, Liebende einerlei Geschlechts und deren Befürworter zu tadeln und ihnen Vorhaltungen zu machen. Sie bestehen darauf, dass die gesamte Kirche sich wachrütteln sollte und mit der Zeit gehen – so wie sie, in zeitgemäßen Umständen!
1.3.4 Weiter behaupten sie, dass sich die Ehegesetze in den Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Ehen zugelassen sind, so stark verändert haben, dass die Kirchen in den betreffenden Ländern in höchsten Schwierigkeiten wären, wenn sie sich nicht den geänderten Gesetzen anpassten. Unserer Meinung nach fürchten die Kirchen in solchen Ländern Repressalien von Politikern oder anderen führenden Autoritäten. Dies schließt mit ein, dass Kirchen in solchen Ländern ihre Privilegien verlieren könnten, die sie bei den Behörden haben, wenn sie bei dieser Haltung verharrten, dass sie die gleichgeschlechtliche Ehe ablehnen und sich ihr verweigern.
1.3.5 Weiter behaupten sie, dass auch die Frage der Beziehungen – Ehe, Liebes - oder andere geschlechtliche Beziehung – Sache der beiden betroffenen Individuen ist. Sie behaupten, dass diese Individuen die Freiheit haben, ihre eigenen Entscheidungen in diesen Dingen zu treffen und dass sie damit auch in Ruhe gelassen werden sollten – und dadurch betonen sie, die persönliche Freiheit sei eine Tugend. Es gibt also viele Gründe wie die oben genannten, die von den Kirchen vorgebracht werden, die gleichgeschlechtliche Ehen erlauben, entweder durch Erklärungen mündlicher oder schriftlicher Art, aber auch durch ihr Verhalten.
2. Gegendarstellung
2.1. Hinsichtlich dieser Ansichten der Unterstützer / Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe akzeptiert die Evangelisch Lutherische Kirche in Tansania kein wie auch immer geartetes Argument, mit dem solche Ehen als legal bezeichnet werden.
2.2. Diese Kirche (ELCT) steht fest auf dem Grund des Wortes Gottes, dass nämlich die Bedeutung der Ehe ist, wie es in den Kapiteln der Bibel gelehrt wird, die im Abschnitt 1.3.1 oben genannt sind. Man hat angefangen, diese Kapitel einer verkehrten Interpretation zu unterziehen, der wir nicht zustimmen können. Wir alle in dieser Kirche und überall in der Welt, die gleichgeschlechtliche Ehen ablehnen, glauben, dass die Bibel sich selbst erklärt und keine Verdrehung braucht, auch nicht die Wünsche, wie einige Leute, bestimmte Orte oder bestimmte Autoritäten sie gern hätten. Die Heilige Schrift ist richtig, festgeschrieben und unwandelbar.
2.3. Diese Kirche glaubt fest daran, dass die Liebe die Grundlage für eine Beziehung und eine wahre eheliche Verbindung zweier Liebender ist. Jedoch besteht in der heiligen Ehe diese Liebe zwischen zwei Menschen verschiedenen Geschlechts. Im Übrigen erkennt die ELCT an, dass das Thema Liebe sehr weitgehend ist und dass das göttliche Merkmal der Liebe oder des einander Liebens bestimmte Werte einschließt. Deshalb kann es, wenn man es zu leicht nimmt, zu ideologischer Akzeptanz und unterschiedlichem Gebrauch von Liebe führen, wenn solchen Ehen, die weder von der Bibel noch von der Gesellschaft über die Jahre toleriert sind, Geltung verschafft wird, sie akzeptiert und legalisiert werden. Wenn sich die Dinge so entwickeln würden und man sie gewähren ließe, könnten sich Kirche und Gesellschaft bald in einem komplizierten Szenarium wiederfinden, aus dem sich herauszulösen schwierig wäre, in dem sogar Ehen zwischen Verwandten, Eltern und Kindern, womöglich gar zwischen Menschen und Tieren akzeptiert würden - solange es „Liebe“ zwischen ihnen gibt! Ist es (daher) gleichgültig welche Interpretation gewählt wird? Was wir hier hervorheben möchten, ist, dass wir sehr sorgfältig sein müssen, wenn wir über Liebe reden, besonders wenn wir sie zum grundlegenden und einzigen Faktor in der Ehe machen.
2.4. Bei den vorausgegangenen Aussagen ist sich die ELCT der Kontroversen in den verschiedenen Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Ehen legalisiert wurden, vollkommen bewusst, und dass sich die Bedingungen und Kulturen weiterentwickelt und einem „modernen“ Lebensstil angepasst haben, wo gleichgeschlechtliche Verbindungen nicht mehr als geschmacklos angesehen werden. Es ist unvermeidlich, dass es in der Gesellschaft Veränderungen gibt. Aber diese Kirche stellt auch fest, dass sich einige Dinge ändern, während andere sich niemals ändern werden. Beispielsweise weiß und glaubt die ELCT, dass zu keiner Zeit die Nase sich zum Mund verwandeln wird oder das Ohr zum Auge!!
2.5. Es ist wahr, dass Verhaltensweisen, die in den zurückliegenden Jahren in schlechtem Ansehen standen, jetzt als positiv und akzeptabel empfunden werden können. Und es ist offensichtlich, dass die moderne Gesellschaft viele Dinge anders sieht. Es ist allerdings gleichermaßen wahr, dass die Kirche nicht auf ständig sich wandelnden Werten und Grundlagen basieren kann. Es ist zwingend erforderlich, dass die Kirche sich nach Werten und Prinzipien richtet, die feststehen, auch gegen wissenschaftliche, kulturelle, politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und andere Kräfte. Diese Kirche glaubt, dass das Wort Gottes Grundregeln des Lebens einschließt, die nicht durch Zeit, Ort oder Umstände verändert oder in ihr Gegenteil verkehrt werden können. Eine dieser Grundregeln betrifft die heilige Ehe und was damit zusammenhängt. Infolgedessen stellt die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen die Grundlagen des Wortes Gottes in Bezug auf die kontinuierliche Zeugung von Nachkommen in Frage.
2.6. Im Übrigen sollten kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen in bestimmten Regionen, z.B. Europa oder Amerika, nicht als Richtschnur für andere Regionen weltweit genommen werden. Auch sollten solche gesellschaftlichen Veränderungen nicht Menschen aufgezwungen werden, die in Ländern außerhalb der Umgebung solcher Übeltaten leben; denn die Menschen an anderen Orten haben ihre eigenen Werte und Kulturen, die sie verteidigen und erhalten möchten. Wir als Tansanier / Afrikaner haben unsere eigenen Werte und Kulturen, die sich im Laufe von Jahren gebildet haben, die unsere Lebensweise bestimmt haben und die nur Ehen zwischen Mann und Frau anerkennen. Deshalb, wenn auch manche Gegenden die (in ihnen geltenden) Bedingungen dahingehend geändert haben mögen, dass gleichgeschlechtliche Ehen akzeptiert werden, so sollte klar verstanden werden, dass unsere Lebensbedingungen (unsere Kulturen und Werte) solche Ehen nicht erlauben.
2.7. Die Ansicht, dass eine Ehe oder Beziehung zwischen zwei Menschen „Sache der beiden“ sei, ist die Ansicht nur einer Seite. Wir in der ELCT dagegen glauben, dass die Ehe nicht ein Ereignis nur zweier Menschen ist, sondern es ist immer so, dass die „beiden“ Teil einer Familie bleiben, die über viele weitere Jahre Auswirkungen auf andere hat. Deshalb kann den beiden nicht erlaubt werden, eben mal etwas zu tun nach dem Motto: „Lasst uns, mischt euch nicht in unsere Angelegenheiten; das ist unsere eigene Sache, und es ist unser eigener Entschluss, zu tun, was wir getan haben.“ usw. Nein!! Es gibt Dinge in Kirche und Gesellschaft im allgemeinen, wie Erhaltung unserer Umwelt und Kultur, bei denen wir uns mit menschlichen Problemen beschäftigen müssen, gleichgültig wo sie stattfinden, weil wir uns der Verantwortung für die Menschheit bewusst sind, damit niemand an helllichtem Tag etwas tut, was das Menschsein eines anderen zerstört, und damit durchkommt. So verhält es sich auch in der Frage nach der gleichgeschlechtlichen Ehe.
3. Schluss
3.1. Deshalb: Auf der Grundlage dieses sicheren Fundaments und im Verständnis des Leitbildes von der Einen Kirche und im Blick darauf, dass es notwendig ist, die Kirche in pastoraler Verantwortung zu leiten, und immer bedacht auf das Wort Gottes und seine grundlegende Bedeutung schämt sich die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania nicht, bei ihrem Herrn zu stehen. Die ELCT brennt darauf, mit prophetischer
Stimme ihre Haltung deutlich zu machen, dass die gleichgeschlechtliche Ehe unheilvoll und ein Dorn im Leib des Herrn Jesus Christus ist (2. Kor 12, 12-27), ein Dorn, der heftige Schmerzen in einer alten Wunde verursacht -den Mitgliedern der ELCT und vielen anderen überall auf der ganzen Welt, wo man die gleiche Ansicht hat über die geschmacklose und skandalöse Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe. Dieser Schmerz gibt einen Vorgeschmack auf unbeschreibliche Missklänge, Spannungen und Verwirrung auf verschiedenen Eben internationaler Beziehungen und ihren Führungsebenen.
3.2. Die Evangelisch-Lutherische Kirche Tansania betrachtet jede einseitige Entscheidung, die die allgemein geltenden und anerkannten Grundlagen bezüglich der Ehe außer Acht lässt, als Missachtung und als furchtbar schädlich für die Kirche als den Leib Christi.
3.3. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania wehrt sich heftig gegen falsche Interpretationen und einen skandalösen Umgang mit der Heiligen Schrift zu dem Zeck, gleichgeschlechtliche Ehen zu rechtfertigen.
3.4. Wir glauben, dass es keinen Teil innerhalb der Kirche Gottes gibt, der erfolgreich alle Probleme allein lösen könnte, ohne die gemeinsame Kraft des ganzen Leibes Christi. Wie es heißt: Einheit ist Kraft. Und diese Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe hat unsere Einheit tief untergraben und unsere gemeinsame
Kraft vermindert.
3.5. Zweifellos wird es nicht helfen und nicht genügen, wenn wir übereinander klagen und einander verurteilen wegen unserer Differenzen in dieser Frage. Wir beten um die Weisheit des Heiligen Geistes, dass er die Oberhand gewinnt und uns dazu leitet, ins Gebet zu gehen, in die Buße, und einander weiterhin liebevoll im Geist zu warnen. Wir müssen stets das Wort Gottes in Kol 3, 5-17 vor Augen haben.
3.6. Wir möchten all jene ermutigen und ihnen von Herzen die Hand reichen, in allen Kirchen der Welt – es seien viele oder nur wenige –, die gegen den Beschluss sind, gleichgeschlechtliche Ehen zuzulassen. Wir rufen dazu auf, lasst uns beisammen stehen, um weiterhin „Salz“ und „Licht“ in unseren Beziehungen zu sein, indem wir unsere Kräfte darauf richten, Einheit und Gemeinschaft unter uns zu vertiefen – eine Einheit, die niemals wieder irgendwelche Verletzungen am Leib Christi, das heißt der Kirche, zulassen wird.
3.7. Wir meinen, dass wir in bösen Zeiten leben; das Böse versucht, die Kirche Gottes zu zerstören. Deshalb rufen wir alle Christen in der ELCT und vielen anderen Kirchen mit gleicher Haltung wie wir dazu auf, nicht nachzulassen in ernsthafter Fürbitte füreinander und das persönliche Zeugnis zu wahren zum Segen für die ganze Kirche Gottes.
3.8. Wir müssen alle Gläubigen der ELCT eindringlich dazu aufrufen, wachsam zu sein; steht auf, erforscht das Wort Gottes und verweigert euch befremdlichen Lehren, die leicht sowohl neu zum Glauben Gekommene als auch lange im Glauben Stehende in dieser globalisierten Welt irreführen können.
3.9. In all unseren bestehenden Beziehungen – mit den Kirchen in Europa und Amerika und an anderen Orten – hat diese Kirche ihre Position deutlich gemacht, z.B. in den Antworten auf den Fragebogen des Lutherischen Weltbundes (LWB) bezüglich des Austauschs von Pastoren. Denn wir glauben, dass das Ziel dieses Fragebogens war, die weitreichenden Ansichten im größeren Kontext der LWB-Mitgliedschaft zusammenzufassen. Wir haben geschrieben:
3.9.1. Wir, die ELCT als Mitglied des LWB, erklären, dass unsere Kirche nicht bereit ist, in einen Austausch mit Pastoren einzutreten, die selbst in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben oder solche unterstützen oder für sie eintreten. Ganz deutlich: Die ELCT wird niemanden willkommen heißen, in dieser
Kirche mitzuarbeiten, der in gleichgeschlechtlicher Ehe oder Beziehung lebt oder solche unterstützt. Hier steht die ELCT fest und kann ihre Position in dieser Frage nicht ändern; daher können wir Überredungsversuche, Vorbedingungen für finanzielle Hilfe und unangemessenen Druck nicht akzeptieren.
3.9.2. Auch in der Beziehung zu anderen Organisationen wie LWB, ÖRK, LMC (Lutheran Mission Cooperation) und anderen wird die ELCT keinerlei Versuch unterstützen, sich für Menschen einzusetzen oder solche in diese Gesellschaften einzuschleusen, die aus dem Lager der Befürworter gleichgeschlechtlicher Ehen kommen oder selbst Anhänger gleichgeschlechtlicher Ehen oder irgendeiner Art von homosexueller Lebenspraxis sind.
3.10. Die ELCT kann die Menschen in Europa und Amerika nicht zwingen, die gleiche Meinung zu haben wie wir oder das gleiche zu tun hinsichtlich der Ehe Gleichgeschlechtlicher; aber wir können ihnen unseren Standpunkt in dieser Frage unumwunden erklären. Wir glauben, dass die andere Seite unseren Standpunkt verstehen und respektieren wird, so wie er dieser Erklärung unmissverständlich entnommen werden kann. Im Übrigen erwartet die ELCT, dass ihre Freunde und Partner überall, wo sie sind, auch wenn sie jetzt in dieser Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe mit der ELCT heiß diskutieren, nicht versuchen werden – und sie bittet, sie mögen es nicht versuchen – auf keine Weise, zu keiner Zeit, an keinem Ort, sich in der Frage der Ehe Gleichgeschlechtlicher und zu jeglichen Handlungen homosexueller Art in den Standpunkt der ELCT einzumischen.
Bischöfe der ELCT
1. Bischof Dr. Alex Gehaz Malasusa, ELCT East and Coastal Diocese und Leitender Bischof der ELCT
2. Bischof Andrew Gulle, ELCT East of Lake Victoria Diocese
3. Bischof Thomas Laiser, ELCT North Central Diocese
4. Bischof Michael Adam, ELCT Diocese in Mara Region
5. Bischof Festo Ngowo, ELCT Dodoma Diocese
6. Bischof Dr. Owdenburg M. Mdegella, ELCT Iringa Diocese
7. Bischof Dr. Benson K. Bagonza, ELCT Karagwe Diocese
8. Bischof Dr. Martin Shao, ELCT Northern Diocese
9. Bischof Elisa Buberwa, ELCT North Western Diocese
10. Bischof Dr. Stephen I. Munga, ELCT North Eastern Diocese
11. Bischof Eliuphoo Sima, ELCT Central Diocese
12. Bischof Dr. Israel-Peter Mwakyolile, ELCT Konde Diocese
13. Bischof Cleopa A. Lukilo, ELCT Southern Diocese
14. Bischof Dr. Hance Mwakabana, ELCT South Central Diocese
15. Bischof Job T. Mbwilo, ELCT South Western Diocese
16. Bischof Zebedayo Daudi, ELCT Mbulu Diocese
17. Bischof Paulo Akyoo, ELCT Meru Diocese
18. Bischof Jacob Mameo Ole Paulo, ELCT Morogoro Diocese
19. Assistent des Bischofs, Pastor Eliraha Mmwiri, ELCT Pare Diocese
20. Bischof Renard K. Mtenji, ELCT Ulanga Kilombero Diocese
Dodoma
7. Januar 2010
Bernd Oberdorfer
Kompliziertes Knäuel
Die Beurteilung der Homosexualität trennt Kirchen in Nord und Süd
Bernd Oberdorfer
Afrikanische Bischöfe reagieren empört, wenn evangelische Kirchen in Europa und Nordamerika Schwule und Lesben ins Pfarramt berufen und gleichgeschlechtliche Paare segnen. Warum das so ist, zeigt Bernd Oberdorfer, Professor für Systematische Theologie an der Universität Augsburg und Mitglied im Deutschen Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes (LWB). Und er skizziert Wege zur Lösung des Konflikts.
Homosexualität ist nicht unafrikanisch, im Unterschied zu Homophobie, „Homosexuality is not unafrican. Homophobia is“: T-Shirts mit diesem Aufdruck sah ich vor einigen Jahren bei einer Demonstration in Kapstadt. Der Satz kehrt gezielt eine Selbstbeschreibung um, der man in afrikanischen Gesellschaften und Kirchen immer wieder begegnet: Gleichgeschlechtliche Liebe sei „unafrikanisch“, widerspreche der „afrikanischen“ Kultur. Und wo es sie doch gibt, sei sie aus dem „liberalen, werterelativistischen“ globalen Norden eingeschleppt.
In der Republik Südafrika verbietet die nach Ende der Apartheid verabschiedete Verfassung die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung. Und bekannt ist das Wort des anglikanischen Alterzbischofs Desmond Tutu: „I would refuse to go to a homophobic heaven“, ich würde mich weigern, in einen homophoben Himmel zu gehen. Doch beides ist eher die Ausnahme als die Regel. So hat die Synode der Anglikanischen Kirche Südafrikas kürzlich einen Antrag abgelehnt, dass sich schwule und lesbische Paare, die nach südafrikanischem Recht verpartnert sind, im Gottesdienst segnen lassen dürfen.
Natürlich ist das Thema Homosexualität auch in Kirchen des Nordens hoch umstritten. Es ist also nicht einfach so, dass einem progressiven Norden ein konservativer Süden gegenübersteht. Aber dennoch ist der Unterschied unübersehbar: Während in Europa und Nordamerika unterschiedliche Positionen vertreten und diskutiert werden, ist die Ablehnung in Afrika (fast) unisono. Ja, schon das Thema anzusprechen, erscheint als Zumutung.
Und dies führt zu starken Spannungen innerhalb der konfessionellen Weltbünde. Selbst in der römisch-katholischen Kirche, in der eine offizielle Anerkennung Homosexueller ausgeschlossen ist, hat im vergangenen Jahr die von Papst Franziskus einberufene Bischofssynode zu Ehe und Familie massive Differenzen zwischen Nord und Süd offenbart, schon wenn es um Formulierungen ging, Homosexuelle vorsichtig zu würdigen.
Und Ähnliches zeigt sich im Lutherischen Weltbund. Der Rat des lwb initiierte 2007 in Lund einen fünfjährigen Studienprozess zum Thema Familie, Ehe und Sexualität mit Konsultationen in den unterschiedlichen Weltregionen. 2009, also während des Studienprozesses, den manche Kirchen als Moratorium verstanden, öffnete die Schwedische Kirche die kirchliche Trauung für gleichgeschlechtliche Paare. Und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika ermöglichte die Ordination von Geistlichen, die zu ihrer Homosexualität stehen.
Dies veranlasste die Bischöfe der Evangelisch-Lutherischen Kirche Tansanias (elct) ein Jahr später zu einer grundsätzlichen Stellungnahme. Diese „Dodomaerklärung“ ist besonders interessant, weil sie auch die kulturellen Differenzen anspricht und sich als eine afrikanische Antwort versteht.
„Abnormales Ereignis“
Die Bischöfe beurteilen die offizielle kirchliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen, „namentlich in Europa und Amerika“, als schockierendes „abnormales Ereignis“. Damit hätten sich jene Kirchen von der überkommenen Lehre der Kirche abgewendet. Die theologischen Argumente für diesen Schritt werden allesamt verworfen. Die Bibel sei ja darin „präzise, eindeutig und unveränderlich“, „dass es nur eine Ehe zwischen Mann und Frau gibt“. Gewiss sei die Liebe „die Basis für die Beziehung und wirkliche eheliche Einheit“. Aber wenn man Liebe zum alleinigen Kriterium mache, könne man auch nicht mehr „Ehen zwischen Verwandten, Eltern und Kindern und sogar Menschen und Tieren“ ablehnen, „wenn denn ‚Liebe‘ im Spiel ist“.
Zwar sei gesellschaftlicher Wandel unvermeidlich, aber nicht alles wandelbar, ja manches „wird sich niemals ändern“. Und dazu zählen die Bischöfe auch den heterosexuellen Charakter der Ehe: Durch die Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Ehe wird „das Fundament der Heiligen Schrift im Blick auf die Weitergabe von Leben sabotiert“. Deshalb geht die Ehe auch nicht nur die beteiligten Individuen etwas an. Sie steht vielmehr im Generationenzusammenhang der beteiligten Familien. Auch müssen Kirche und Gesellschaft „im vollen Bewusstsein ihrer Verantwortung für die Menschheit“ eingreifen, um zu verhindern, dass jemand etwas tut, „das die humane Würde (humanhood) eines anderen Menschen zerstört“. Und das ist eben bei der gleichgeschlechtlichen Ehe der Fall. Ob sie damit auch ein gesetzliches Verbot und eine strafrechtliche Verfolgung von Homosexualität fordern oder verteidigen, lassen die tansanischen Bischöfe offen.
Sie betonen: Keinesfalls - und hier kommt die interkulturelle Dimension ins Spiel - darf der „kulturelle und gesellschaftliche Wandel“ aus Europa und Amerika in andere Weltregionen exportiert werden. „Wir als Tansanier/Afrikaner haben unsere eigenen, über lange Zeiträume entwickelten Werte und Kulturen, die unsere Lebensführung (lifestyles) geleitet haben und eben nur die Ehe zwischen Mann und Frau akzeptieren.“ Die lutherischen Bischöfe argumentieren also mit einer afrikanischen kulturellen Identität, die nicht von außen in Frage gestellt werden darf und verstehen sich zugleich als Anwälte universaler ethischer Werte, die dem unwandelbaren Wort Gottes entsprechen. Sie sehen sich zur Verantwortung für die Einheit der Kirche gerufen und erheben die „prophetische Stimme“ gegen die „abgeschmackte und skandalöse Angelegenheit“ (tasteless and scandalous subject) der gleichgeschlechtlichen Ehe. Eine weitere Diskussion lehnen sie vehement ab.
Viele der theologischen Argumente, die von den tansanischen Bischöfen vorgebracht werden, sind auch aus der Diskussion in Europa bekannt. Eine besondere Dynamik entsteht aber durch die Umkehrung des Universalismusdiskurses: Während die Europäer üblicherweise mit dem Anspruch auftreten, die allgemeinverbindlichen Werte zu repräsentieren und auszubreiten, die in der europäischen Aufklärung entwickelt wurden, begegnen sie jetzt einer Kritik, die ihnen die Abkehr von diesen allgemeinverbindlichen, kulturübergreifenden Werten vorhält - im Namen einer afrikanischen Kultur, die nach Ansicht der tansanischen Bischöfe mit dem unwandelbaren Wort Gottes und der Schöpfungsordnung konvergiert.
Spiegelbildlich wiederholt sich hier der Streit, der im 19. Jahrhundert über die Vielehe geführt wurde. Damals verboten die europäischen Missionare den christianisierten Afrikanern im Namen der Bibel und der christlich-europäischen Kultur, die in ihrer Kultur tief verwurzelte Tradition der Polygamie weiter zu praktizieren. Das europäisch geprägte Christentum hat die Afrikaner also zu einem gravierenden kulturellen Wandel genötigt. Sie haben sich ihn angeeignet und verteidigen ihn mittlerweile als substanzielles Moment genuin afrikanischer Kultur gegen weitere Versuche, Werte und den europäisch-amerikanischen Wertewandel zu importieren. Die Ablehnung weiterer Diskussion lässt sich sogar im Horizont des postkolonialen Denkens als Verweigerung eines hegemonialen und asymmetrischen Diskurses lesen, der die afrikanische Kultur nicht als eigenständig wahrnimmt.
Auffällig ist freilich, was die „Dodomaerklärung“ der tansanischen Bischöfe nicht anspricht, obwohl es in der Homosexualitätsdiskussion in den Gesellschaften und Kirchen des Nordens eine zentrale Rolle spielt: die Dimension von Gerechtigkeit, Nichtdiskriminierung und Inklusivität. Das ist auch insofern bemerkenswert, als gerade die Kirchen des globalen Südens diese Dimension in den ökumenischen Diskurs gerne einbringen. Ebenfalls keine Rolle spielen auch Verbindlichkeit und Verlässlichkeit in Beziehungen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ebenfalls gelebt werden können. Der Fokus liegt ausschließlich auf der Verteidigung einer exklusiv heterosexuellen Ehe.
Häufig wird darauf hingewiesen, dass in afrikanischen Kulturen die Gemeinschaftsbindung im Generationenzusammenhang eine zentrale Rolle spiele und Homosexualität daher als Ausdruck eines Individualismus erscheine, der sich der Pflicht zur Gemeinschaftserhaltung durch Weitergabe von Leben entziehe. Das ist sicher richtig. Aber hinzu kommt noch etwas anderes, nämlich der weithin konservative Charakter der Theologie, die die europäischen Missionare im 19. Jahrhundert in Afrika ausbreiteten und kulturell verankerten. Sie vertraten häufig methodische Zugänge, theologische Inhalte und ethische Normen, die in Europa schon problematisch geworden waren. Die Missionare wollten zwar die afrikanische Kultur durch eine „christlich-europäische Zivilisation“ überformen. Aber diese repräsentierte das Ideal eines vor- und antimodernen Europas, das sich von den aktuellen Entwicklungen, wie Industrialisierung, Verstädterung und Verlust der überkommenen Bindungen, distanzierte. Mit anderen Worten: Die Missionstheologie war nicht einfach kulturimperialistisch. Vielmehr wollte sie die afrikanische Kultur durch die Christianisierung so transformieren, dass sie ein gleichsam unverdorbenes Gegenbild zum dekadent gewordenen Europa darstellte. Und so fanden später neuzeitliche Entwicklungen des Bibelverständnisses, die historisch-kritische Auslegung, die längerfristig einen veränderten Blick auf die biblischen Aussagen zur gleichgeschlechtlichen Sexualität ermöglichten, keinen Eingang in das Selbstverständnis und die Deutungskulturen afrikanischer Kirchen.
Die Kontroverse über das Verständnis von Homosexualtät und den Umgang mit Homosexuellen ist also nicht auf eine ethische Spezialfrage beschränkt. Sie rührt vielmehr an theologische Grundlagenprobleme. Eine Verständigung zwischen den Kirchen des Nordens und des Südens kann also nicht allein beim ethischen Problem ansetzen.
Während Afrikas Kirchen die Anerkennung von Homosexualität als Abkehr vom Wort Gottes diagnostizieren, bescheinigen Europäer und Amerikaner ihnen einen unkritischen Biblizismus, der der realen Dynamik der Schriftauslegung nicht gerecht wird und also letztlich auch nicht schriftgemäß ist.
Der Lutherische Weltbund hat daher einen mehrjährigen Studienprozess zu Verständnis und Auslegung der Bibel initiiert, der in diesem Jahr mit dem Dokument „The Bible in the Life of the Lutheran Communion“, Die Bibel im Leben der lutherischen Gemeinschaft, seinen Abschluss fand. Sichtbar wurde dabei, welche pragmatischen und kulturellen Faktoren das Schriftverständnis immer beeinflussen. Der Wortsinn ist also nicht einfach vorhanden, sondern erschließt sich in komplexen Auslegungsprozessen immer wieder neu. Diese Einsicht kann dazu beitragen, die falschen Alternativen, Bibeltreue oder Zeitgeisthörigkeit, Biblizismus oder historisch-kritische Auslegung, zu überwinden.
Längerfristig könnte diese vertrauensbildende Maßnahme den Boden für ein neues Gespräch über das strittige Thema Homosexualität bereiten. Aber kurzfristig scheint dies kaum möglich. Dies hat auch damit zu tun, dass die afrikanischen Kirchen allein durch die Zumutung, über das Thema Homosexualität zu reden, häufig den Eindruck gewinnen, sie würden wieder einmal als diejenigen behandelt, die noch nicht so weit sind und allenfalls mit Nachsicht und Geduld rechnen können, aber nicht mit Verständnis. Mit einem zunehmendem postkolonialen Selbstbewusstsein verweigern sich Afrikas Kirchen einem solchen subtilen Paternalismus. Eine Rolle spielt aber auch, dass das Reden über Sexualität in vielen nichteuropäischen Kulturen weiterhin tabuisiert ist. Erst die Aidsepidemie hat hier - notgedrungen - Veränderungen eingeleitet.
Interkulturelle Sensibilität - sprich: Respekt - ist also geboten. Gleichwohl sollten die Kirchen, die gleichgeschlechtliche Paare trauen und offen homosexuelle Geistliche ordinieren, ihre Position nicht zu defensiv vertreten. Vielmehr sollten sie diese als Konsequenz theologischer Einsichten durchsichtig machen. Aber angesichts dessen, dass Homosexuelle in Europas Kirchen erst seit einigen Jahren akzeptiert werden, verbietet sich jeder Überlegenheitsgestus.
Für die weitere Entwicklung wird viel davon abhängen, ob es gelingt, die Differenzen im Horizont eines übergreifenden Gemeinschaftsbewusstseins auszuhalten und gleichsam einzuhegen. Wer - wie ich - die Entscheidungen der europäischen und amerikanischen Kirchen für sachgemäß und theologisch angemessen hält, hofft, dass - wie nach der Einführung der Frauenordination - die Integration Homosexueller ins kirchliche Leben Erfahrungen ermöglicht, die nach außen ausstrahlen und den Horror vor dem „skandalösen und abstoßenden Thema“, „scandalous and distgusting subject“ lindern. Aber es wäre naiv, würde man meinen, das Knäuel aus theologischen, missionsgeschichtlichen, postkolonialen und kulturellen Faktoren schnell lösen zu können. Wohin sich die Weltchristenheit - nicht nur in dieser Frage - entwickelt, ist offen. Das europäische Paradigma ist längst kein Selbstläufer mehr. Eine lineare Entwicklung ist also kaum zu erwarten.
Martin Hasitschka SJ
Andreas R. Batlogg SJ
[aus: Stimmen der Zeit 09/2017, mit freundlicher Erlaubnis des Herder-Verlags]
„Ich danke Ihnen für einige Worte und Gesten, die Sie als Pontifex in Bezug auf Homosexuelle gesagt oder gemacht haben. Doch Ihre Worte werden nur dann wirkliche Bedeutung haben, wenn Sie all die kränkenden und brutalen Erklärungen aus der Welt schaffen, die das Sant’Uffizio in Bezug auf Letztere von sich gegeben hat, und wenn Sie nicht die obszöne Anweisung für ungültig erklären, mit der Benedikt XVI. die Zulassung von Homosexuellen zum Priesteramt untersagt hat. Bis dahin müsste der Klerus, dem eine riesige Schar Homosexueller angehört, die aber gleichzeitig rasend homophob sind, sich an diese herzlose Anweisung halten: Alle schwulen Kardinäle, Bischöfe und Priester müssten den Mut haben, dieser unmenschlich gefühllosen, ungerechten und gewalttätigen Kirche den Rücken zu kehren.“
So kann nur ein tiefverletzter, gekränkter Mensch schreiben: anklagend, polemisch, unfair, ungerecht und ungehörig. Inhaltlich mag manches nachempfindbar sein, ist aber auch inkorrekt, etwa was die Linie von Papst Benedikt XVI. betrifft. Die Zeilen stehen in dem Brief, den der polnische Priester Krysztof Charamsa, ein hochrangiger Mitarbeiter der Glaubenskongregation, am 3. Oktober 2015 dem Papst geschrieben hat, als er sich auf einer Pressekonferenz als Homosexueller outete. Der Zeitpunkt war bewusst gewählt: ein Tag vor Beginn der Familiensynode im Vatikan. Charamsa wurde umgehend von seinem Posten abberufen, verlor seine beiden Dozenturen und wurde als Priester suspendiert. Ob Franziskus den Brief, der in Charamsas Buch „Der erste Stein“ (Untertitel „Als homosexueller Priester gegen die Heuchelei der katholischen Kirche“: München 2017) abgedruckt wurde, je zu Gesicht bekommen und wenn ja, ob er darauf reagiert hat, ist nicht bekannt. Auf einen Papst Druck ausüben geht nicht, mag man einwenden. Charamsa, der ehemalige „Möchtegern-Großinquisitor“, sah keine andere Möglichkeit – anders als David Berger ist er jedoch Priester, ein doppelter „Tabubruch“ also.
Ob es stimmt, dass der Anteil von Homosexuellen unter Priestern weit über dem Durchschnitt bei der Gesamtbevölkerung liegt, bei der man von fünf bis zehn Prozent ausgeht, lässt sich zwar nicht statistisch belegen. Aber dass es Homosexuelle, die in homophoben Gesellschaften nach wie vor stigmatisiert werden und in manchen Ländern sogar mit der Todesstrafe rechnen müssen, in der katholischen Kirche schwer haben, dass angehende Priester, wenn sie zu ihrer homosexuellen Orientierung stehen, damit rechnen müssen, nicht zur Weihe zugelassen zu werden – ist gängige (wenn auch nicht durchgängige) Praxis. Dabei geht es in der priesterlichen Seelsorge doch vor allem um Empathie, Sprachfähigkeit, Unterstützung und Dasein für Andere – spielt es da eine Rolle, ob ein Priester hetero- oder homosexuell bzw. homosensuell ist?
Außerdem tut man so, als handele es sich nur um junge, attraktive Männer, als hätten bereits geweihte Priester keine Sexualität, ganz zu schweigen von hochrangigen Klerikern. Wenn ein Priester Probleme mit dem Zölibat hat, gilt das als „normal“, wenn es dabei um eine Frau geht. Bei einem Mann hingegen schrillen die Alarmglocken. Die Verlogenheit, das Verdächtigen, das Bespitzeln und Denunzieren, die (vom Vatikan und vielen Priesterausbildnern) scharf beobachtete gay-Kultur, die zu Seilschaften führen kann und junge Männer auf der Suche nach ihrer sexuellen Identität in Darkrooms, Saunen oder ins Internet verbannt, führt zu menschlichen Dramen, oft auch zu Suizid(-fantasien). Klischees, Vorurteile, Stereotype, biologistische Fehlschlüsse und ein überholtes Naturrechtsverständnis fördern Diskriminierung, bis hin zu dem strafrechtlich relevanten Tatbestand der üblen Nachrede, Homosexualität sei identisch mit Pädophilie. Schwulenhass, erst recht in der katholischen Kirche, hat oft mit Problemen mit sich selbst zu tun, die auf andere projiziert werden. Ideologisch aufgeladene Ressentiments verletzen und führen nicht weiter.
In Italien, so Charamsa, finde das Schwulenleben oft „nicht auf der Straße […] statt, sondern in den päpstlichen Salons“. Solche Aussagen treffen ins Mark einer Institution. Sie reagiert, systemkonform, mit Abwehr und Ausschluss, mit Verbalattacken, wie der afrikanische Kardinal Robert Sarah auf der Familiensynode 2015 mit seinem unsäglichen Nazi-Vergleich. Da lassen Äußerungen von Papst Franziskus – schon im ausführlichen Interview mit Antonio Spadaro SJ oder auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Rio – hoffen. Aber wie sich sein Hinweis, auf den Menschen zu schauen und nicht auf eine „Veranlagung“ oder ein „Problem“, einschreibt in die Organisationsstruktur der Kirche, in Mentalitäten, in Grundhaltungen – das bleibt die Frage. Das Reduzieren auf Genitalität widerspricht der Menschenwürde, eine „Don’t ask, don’t tell“-Politik behindert affektive Reife. Schwule (Priester) wollen Anerkennung, nicht Mitleid. Die sexuelle Orientierung eines Priesters ist letztlich nicht der Punkt. Es geht, wie bei jedem Menschen, um verantwortlich gelebte Sexualität. Wie dieser bei homosexuellen Priestern Raum geben zur (vielleicht noch zu findenden) lebensfähigen Entfaltung? Darüber sollte nachgedacht werden.
Welchen Begriff auch immer man favorisiert – Homosexualität oder, wie neuere, sprachsensiblere Termini sagen, Homosensualität oder Homoaffektivität: Wollen wir uns nicht von großen Teilen des Klerus verabschieden, sollten wir die damit verbundenen Fähigkeiten auch schätzen lernen. Will die katholische Kirche wirklich und wirksam „Expertin alles Menschlichen“ sein, muss sie sich radikal ändern! „Die Kirche ist zweihundert Jahre lang stehen geblieben. Warum bewegt sie sich nicht? Haben wir Angst? Angst statt Mut?“: Das hielt ihr Kardinal Carlo Maria Martini SJ († 2012) in seinem letzten Text vor. Zuletzt warb auch der prominente, als „Homo-Lobbyist“ denunzierte US-amerikanische Jesuit James Martin in seinem von den Kardinälen Kevin Farrell und Joseph W. Tobin CSsR (ehemaliger Sekretär der vatikanischen Ordenskongregation) empfohlenen Buch „Building A Bridge“ (2017) um mehr „Respekt, Compassion und Sensibilität“. Andreas R. Batlogg SJ
Konrad Hilpert
[aus: Stimmen der Zeit 09/2017, mit freundlicher Erlaubnis des Herder-Verlags]
Michael Brinkschröder
Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch
Frédéric Martel: Sodom
Frédérik Martel schreibt über die nicht nur im vatikanischen Klerus oft sehr unreif gelebte Sexualität. Diese Unreife hat Folgen: Die Verharmlosung sexuellen Missbrauchs und die Verdammung von Homosexualität sind zwei Seiten einer Medaille. Sodom reiht sich ein in die Vielzahl von Büchern, die die strukturbedingte Verlogenheit in der katholischen Kirche thematisieren. Die Probleme sind bekannt. Wir müssen Sie lösen.
Homosexualität, Politik, Naturwissenschaft und Kirche
Die Geschichte der LGBTIQ* in Österreich ist eine beschämende Geschichte der böswilligen oder gedankenlosen Verfolgung bis in die jüngste Vergangenheit.
Ein Mahnmal gegen die Kriminalisierung ist die Website zum österreichischen § 209.
Der Weltärztebund sprach sich 2013 gegen die Behandlung von Menschen aus, die der heterosexuellen Norm nicht entsprechen. Evidenz ernstnehmen bedeutet, für ein Verbot der sogenannten „Behandlung“ von Homosexualität einzutreten. Neuere Studien belegen die Schädlichkeit solcher Eingriffe. So verwirft Peer Briken, Direktor des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg, die Bezeichnung „Konversationstherapie“: Homosexualität ist keine Krankheit; eine dauerhafte Veränderung der sexuellen Orientierung ist nicht möglich.
Die „Behandlungen“ haben sehr große individuelle und gesellschaftliche Nebenwirkungen. Deshalb prüfte 2019 ein weiterer Gutachter die Möglichkeit und die Notwendigkeit, Konversationstherapien in Deutschland verbieten zu lassen; das Gutachten beantwortete beide Fragen positiv.
Im Tierreich und im Menschsein ist Homosexualität häufig anzutreffen. Wieso gibt Gott dem Menschen das Geschenk der Sexualität in dieser Form, wenn es verdammenswert wäre?
Die einschlägigen biblischen Stellen (ein Gräuel, Paulus in Korinth) thematisieren nach Mehrheitsmeinung seriöser Bibelwissenschaftler*innen nicht Homosexualität im heutigen Sinn als eine sexuelle Lebensanlage und Liebesfähigkeit, sondern Beispiele einer Unheilsituation: So ging es im damaligen Korinth nicht um die katholische Segnung von Partnerschaft, sondern um die Vergewaltigung von Sklaven und Kindern.
Die Aversion gegen Homosexualität ist ein eben solches Unheil. Sie hat maßloses Leid verursacht – im Faschismus, dann in der jungen österreichischen Republik, auch heute noch ist „schwul“ ein Schimpfwort auf Pausenhöfen.
Papst Johannes Paul II erklärte bei der Rehabilitation von Galileo Galilei: „Galilei war weitsichtiger als seine theologischen Gegner“. Die hätten nicht „zwischen der Heiligen Schrift und ihrer Deutung zu unterscheiden gewusst“.
Warum fällt diese Deutung im Fall der sexuellen Veranlagungen so schwer? Wieso schauen wir nicht in die Schöpfung, wo es von Primaten bis zu Fischen in allen Arten, Gattungen und Familien von nichtheterosexuell veranlagten Lebewesen nur so wimmelt? Weil der wache Blick auf die Schöpfung das Überdenken der eigenen Positionen erfordert. Das Christentum öffnet ein Tor zur Freiheit. Jede Religion kann aber auch Herrschaftsinstrument sein. Glaube schafft die Möglichkeit einer identitären Selbstvergewisserung, die dann andere ausgrenzt.
Im Fall der Verurteilung nichtheterosexuellen Menschseins exportieren wir ein giftiges Gemisch aus Acht- und Ahnungslosigkeit in die Partnerländer der Entwicklungszusammenarbeit, wo es tödlich wirkt. Dagegen wendet sich plan:g – Partnerschaft für globale Gesundheit.