Klima und Kriminalisierung – eine Richtigstellung

Die Bilder der Räumung von Lützerath sind noch frisch, die Aktionen der „Letzten Generation“ spektakulär – und äußerst umstritten. Auf der einen Seite gibt es Verständnis für die Aktionen, da die Politik zwar viel verspricht, Aktivist*innen öffentlichkeitswirksam einlädt, aber wenig in Sachen effektiven Klimaschutzes umsetzt.

 

Die Gegenseite sieht eine neue „grüne RAF“ heranwachsen oder wahlweise eine „kriminelle Vereinigung“ in der Entstehung begriffen. So rechtfertigt ein Kommentar in der FAZ vom 13.12.2022 die angeordneten Hausdurchsuchungen bei der „Letzten Generation“ mit dem beeinträchtigten Sicherheitsgefühl der Bürger. Weshalb sind die Reaktionen auf die vergleichsweise harmlosen Aktionen, bei der weder Mensch noch nennenswert Sachen geschädigt wurden, so stark? Weshalb wird das Festkleben auf Straßen mit den mörderischen Anschlägen der RAF gleichgesetzt? Die abwaschbaren Farben auf alten Gemälden, die in - ihrer Selbstbeschreibung nach - „demokratischen“ Museen hängen mit der organisierten Kriminalität verglichen?

 

Auf der einen Seite sind es Menschen, die in den Kommentarspalten der Tageszeitungen und anderer Medien ihrer Wut freien Lauf lassen. Dies geht bis zu Androhungen von Selbstjustiz, oftmals nicht zu unterscheiden von Aufforderungen zur Lynchjustiz. Nun ist es durchaus nachvollziehbar, dass sich jemand ärgert, im Stau zu stehen, nicht rechtzeitig am Arbeitsplatz anzukommen. Hand aufs Herz: Das würde den meisten von uns so gehen, wenn wir ehrlich sind. Aber wir würden doch nicht so weit gehen, Todesdrohungen auszusprechen, lediglich, weil wir eine halbe Stunde zu spät im Büro erscheinen. Die Gründe hierfür liegen woanders.

 

Es geht vielmehr um die unausgesprochene Kritik an unserem Lebenswandel und der zugrundeliegenden Ressourcenverschwendung. Die friedliche Form des Protests und die überzogenen Reaktionen darauf, machen uns klar, wie sehr wir an unserem verschwenderischen Lebensstil festhalten wollen. Das führt dazu, den Spiegel vor Augen gehalten zu bekommen, wie wir auf Kosten der Umwelt und den künftigen Generationen leben. Und letztere werden vielleicht tatsächlich in uns Ökoterroristen sehen, diejenigen, die trotz besseren Wissens keine Einsicht gezeigt und diese Welt in eine Dauerkatastrophe verwandelt haben. Diese Wut braucht einen Schuldigen. Und der wird täglich in den Kommentaren gefunden, verfemt und verurteilt – die Klimaaktivisten*innen.

 

Andererseits sind es nicht nur die hasserfüllten Schreibenden im Internet, sondern auch die Politiker*innen, die gewaltfreie Aktionen als die Taten von fanatischen und extremistischen  Menschen darstellen. Auf der einen Seite greift wohl der gleiche Mechanismus wie bei den frustrierten Autofahrer*innen, aber es geht noch um mehr. Nicht nur das Abschieben von Verantwortung, sondern auch der eigene Machterhalt stehen im Vordergrund. Die Debatte um das Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen ist ähnlich absurd, wie die Unfähigkeit der amerikanischen Politik, strengere Waffengesetze einzuführen. Es geht nicht um Korruption, es geht darum, welche politischen Aussagen nach der Karriere im Parlament zu lukrativen Posten in Aufsichtsräten von Großunternehmen führen – oder eben nicht.

 

Zur Demokratie gehört Mut. Mut, sich für eine gerechte Sache einzusetzen und damit auch Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Aber auch der Mut, Wahlversprechen trotz der eigenen Karrierechancen einzuhalten und sie nicht mit billigen Ausreden und Hetze zu brechen. Jede Wahl ist eine Klimawahl. Sie haben eine Stimme. Nützen Sie sie.

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