Dr. Irmgard Moser ist Leiterin des Nationalen Referenzlabors für Tuberkulose am Friedrich-Loeffler-Institut.
Bei Kühen auf der Alm denkt man an besonders gesunde Tiere: viel Bewegungsfreiheit, frisches Gras, saubere Luft … Wie kommt es, dass sich gerade im Alpenraum Viehbestände mit TB anstecken?
Bei der Alpung haben die Tiere die Möglichkeit, unkontrolliert mit Tieren aus anderen Betrieben und Wildtieren in engen Kontakt zu kommen. Daher kann es hier zur Übertragung von Krankheitserregern kommen.
Das Rotwild steckt sich wohl vor allem an den Fütterungsplätzen an. Gibt es noch andere Ansteckungswege und Faktoren, die zur Ausbreitung der TB beim Wild beitragen?
Die Ansteckungswege beim Rotwild sind noch nicht abschließend geklärt. Die hohe Widerstandskraft der Tuberkulose-Erreger gegen Einflüsse aus der Umwelt trägt wesentlich dazu bei, dass sich Tuberkulose-Erreger nicht nur direkt von Tier zu Tier, sondern auch nach Ausscheidung und Verbleib über Tage bis Wochen außerhalb des Tierkörpers und Wiederaufnahme durch andere Tiere weiter verbreiten können, auch zwischen Rind und Wild.
Deutscher Hotspot für TB bei Rotwild und Rindern ist das Oberallgäu. Auch hier gibt es immer wieder infizierte Tiere. Ende 2012 fiel die Entscheidung für Reihenuntersuchungen bei Viehbeständen. Auch 2015 wurde weiter getestet – halten Sie diese Maßnahme für sinnvoll?
Diese Maßnahmen sind sinnvoll. Nur durch wiederholte Untersuchungen kann der Verbreitung der Tuberkulose entgegengewirkt werden.
Existiert eigentlich ein nachgewiesener Fall der Übertragung von Rinder-TB auf den Menschen? Wie bewerten Sie das Ansteckungsrisiko?
Die modernen Methoden der molekularen Charakterisierung von Tuberkulose-Erregern von Mensch und Rind ermöglichen es, die Identität der isolierten Erreger zu bestimmen. Mittels dieser Methoden wurde die Erregerübertragung zwischen Mensch und Rind in Einzelfällen nachgewiesen. In der Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund der günstigen Seuchensituation das Risiko der Übertragung von Tuberkulose-Erregern vom Rind auf den Menschen als gering anzusehen und vorwiegend auf Menschen beschränkt, die in ihrem beruflichen oder privaten Umfeld engen und lang dauernden / wiederholten Kontakt mit Rindern oder Produkten vom Rind haben (Landwirt, Schlachter, Verzehr von Rohmilch). Aus bisher nicht geklärten Gründen ist der Erreger der Rindertuberkulose allerdings für den Menschen weniger ansteckungsgefährlich als für das Rind.
Dass Rohmilch vor dem Genuss immer erhitzt werden sollte – auch um andere bakteriell übertragbare Krankheiten zu vermeiden –, ist weithin bekannt. Wie steht es mit anderen Rohmilch-Produkten, etwa Rohmilchkäse? Welche Vorsorge wird getroffen, um eine Gefährdung von Verbraucher und Verbraucherinnen auszuschließen?
Durch viele Verarbeitungsprozesse (pH-Veränderungen) werden Tuberkulose-Erreger zum größten Teil inaktiviert. Der beste Schutz vor Ansteckung besteht in der regelmäßigen Untersuchung der Tiere, wie sie in der EU durchgeführt wird, einerseits und dem Verzehr von Lebensmitteln aus pasteurisierter Milch andererseits.
Das EU-Projekt „Tbc in alpine wildlife“ hat von 2010 bis 2013 länderübergreifend Tuberkulosefälle beim Rotwild im Alpenraum untersucht. Am bayerischen Alpenrand wird dieses Rotwildmonitoring fortgesetzt. Wie groß ist der Nutzen solcher Projekte? Welche Probleme gibt es?
Es gibt keine Alternative. Die Schwierigkeiten liegen in der Kontrolle der Wildtierbewegungen und der Wilddichte in einzelnen Regionen.
Lassen sich Mycobacterium bovis und M. caprae ausrotten?
Aufgrund des Verhaltens des Erregers im Tier und der in einigen europäischen Ländern vorhandenen Wildtierreservoire ist die Rinder-Tuberkulose kaum auszurotten.
Ein Grund, warum jetzt mehr Rinder-TB-Fälle entdeckt werden, sind neue Testmethoden. Unterscheiden sich diese Tests von den GeneXpert-Tests?
Moderne Testmethoden zum Nachweis von Krankheitserregern sind deutlich sensitiver und führen schneller zu Ergebnissen als die Nachweismethoden in früheren Jahren. Es werden verschiedenste kommerzielle Test-Kits angeboten oder Eigenentwicklungen in Instituten verwendet, die auf dem Nachweis von geringsten Mengen DNA in Proben von Probanden beruhen. Auch Tests zum Nachweis von spezifischen Immunreaktionen beim lebenden Individuum, die vor allem zu frühen Zeitpunkten der Infektion wertvolle Ergebnisse liefern, sind in den letzten 20 Jahren entwickelt worden. Dies gilt für die Humanmedizin und die Veterinärmedizin gleichermaßen.
Wie bewerten Sie die Impfprogramme von Dachsen in Großbritannien?
Die Situation der Tuberkulose in UK, wo Dachse im Infektionszyklus eine bedeutende Rolle spielen, ist eine Besonderheit der betroffenen Region. Da Dachse dort zu den geschützten Wildtieren zählen, ist eine Impfung ein möglicher Weg, den Infektionsdruck zu reduzieren und Infektionsketten zu unterbrechen. Die Zukunft wird zeigen, ob diesen Impfprogrammen nachhaltiger Erfolg beschieden sein wird.
Liegt das Auftreten von Rinder-TB auch an den sehr leistungsfähigen, aber hochgezüchteten und damit anfälligen Tierbeständen?
Die hohen Leistungsanforderungen stellen ein Risiko für den allgemeinen Gesundheitsstatus der Tiere dar. Im Fall der Tuberkulose ist zu bedenken, dass in den meisten Ländern, die aufgrund effektiver Bekämpfungskampagnen in der Vergangenheit den Status „offiziell frei von Tuberkulose“ erreicht haben, die Tuberkulose nicht völlig ausgerottet war. Als dann das Bekämpfungsmanagement in ein Überwachungsmanagement überführt wurde, konnte sich die Tuberkulose in einzelnen Regionen über Jahrzehnte halten oder sogar wieder ausbreiten, da regelmäßig wiederkehrende Untersuchungskampagnen durch andere Maßnahmen abgelöst worden waren. Außerdem hat die Verbesserung der diagnostischen Methoden dazu beigetragen, Verdachtsfälle schneller und sicherer zu erkennen.
Mehr Informationen zu Tuberkulose: Tuberkulose
Bei Kühen auf der Alm denkt man an besonders gesunde Tiere: viel Bewegungsfreiheit, frisches Gras, saubere Luft … Wie kommt es, dass sich gerade im Alpenraum Viehbestände mit TB anstecken?
Bei der Alpung haben die Tiere die Möglichkeit, unkontrolliert mit Tieren aus anderen Betrieben und Wildtieren in engen Kontakt zu kommen. Daher kann es hier zur Übertragung von Krankheitserregern kommen.
Das Rotwild steckt sich wohl vor allem an den Fütterungsplätzen an. Gibt es noch andere Ansteckungswege und Faktoren, die zur Ausbreitung der TB beim Wild beitragen?
Die Ansteckungswege beim Rotwild sind noch nicht abschließend geklärt. Die hohe Widerstandskraft der Tuberkulose-Erreger gegen Einflüsse aus der Umwelt trägt wesentlich dazu bei, dass sich Tuberkulose-Erreger nicht nur direkt von Tier zu Tier, sondern auch nach Ausscheidung und Verbleib über Tage bis Wochen außerhalb des Tierkörpers und Wiederaufnahme durch andere Tiere weiter verbreiten können, auch zwischen Rind und Wild.
Deutscher Hotspot für TB bei Rotwild und Rindern ist das Oberallgäu. Auch hier gibt es immer wieder infizierte Tiere. Ende 2012 fiel die Entscheidung für Reihenuntersuchungen bei Viehbeständen. Auch 2015 wurde weiter getestet – halten Sie diese Maßnahme für sinnvoll?
Diese Maßnahmen sind sinnvoll. Nur durch wiederholte Untersuchungen kann der Verbreitung der Tuberkulose entgegengewirkt werden.
Existiert eigentlich ein nachgewiesener Fall der Übertragung von Rinder-TB auf den Menschen? Wie bewerten Sie das Ansteckungsrisiko?
Die modernen Methoden der molekularen Charakterisierung von Tuberkulose-Erregern von Mensch und Rind ermöglichen es, die Identität der isolierten Erreger zu bestimmen. Mittels dieser Methoden wurde die Erregerübertragung zwischen Mensch und Rind in Einzelfällen nachgewiesen. In der Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund der günstigen Seuchensituation das Risiko der Übertragung von Tuberkulose-Erregern vom Rind auf den Menschen als gering anzusehen und vorwiegend auf Menschen beschränkt, die in ihrem beruflichen oder privaten Umfeld engen und lang dauernden / wiederholten Kontakt mit Rindern oder Produkten vom Rind haben (Landwirt, Schlachter, Verzehr von Rohmilch). Aus bisher nicht geklärten Gründen ist der Erreger der Rindertuberkulose allerdings für den Menschen weniger ansteckungsgefährlich als für das Rind.
Dass Rohmilch vor dem Genuss immer erhitzt werden sollte – auch um andere bakteriell übertragbare Krankheiten zu vermeiden –, ist weithin bekannt. Wie steht es mit anderen Rohmilch-Produkten, etwa Rohmilchkäse? Welche Vorsorge wird getroffen, um eine Gefährdung von Verbraucher und Verbraucherinnen auszuschließen?
Durch viele Verarbeitungsprozesse (pH-Veränderungen) werden Tuberkulose-Erreger zum größten Teil inaktiviert. Der beste Schutz vor Ansteckung besteht in der regelmäßigen Untersuchung der Tiere, wie sie in der EU durchgeführt wird, einerseits und dem Verzehr von Lebensmitteln aus pasteurisierter Milch andererseits.
Das EU-Projekt „Tbc in alpine wildlife“ hat von 2010 bis 2013 länderübergreifend Tuberkulosefälle beim Rotwild im Alpenraum untersucht. Am bayerischen Alpenrand wird dieses Rotwildmonitoring fortgesetzt. Wie groß ist der Nutzen solcher Projekte? Welche Probleme gibt es?
Es gibt keine Alternative. Die Schwierigkeiten liegen in der Kontrolle der Wildtierbewegungen und der Wilddichte in einzelnen Regionen.
Lassen sich Mycobacterium bovis und M. caprae ausrotten?
Aufgrund des Verhaltens des Erregers im Tier und der in einigen europäischen Ländern vorhandenen Wildtierreservoire ist die Rinder-Tuberkulose kaum auszurotten.
Ein Grund, warum jetzt mehr Rinder-TB-Fälle entdeckt werden, sind neue Testmethoden. Unterscheiden sich diese Tests von den GeneXpert-Tests?
Moderne Testmethoden zum Nachweis von Krankheitserregern sind deutlich sensitiver und führen schneller zu Ergebnissen als die Nachweismethoden in früheren Jahren. Es werden verschiedenste kommerzielle Test-Kits angeboten oder Eigenentwicklungen in Instituten verwendet, die auf dem Nachweis von geringsten Mengen DNA in Proben von Probanden beruhen. Auch Tests zum Nachweis von spezifischen Immunreaktionen beim lebenden Individuum, die vor allem zu frühen Zeitpunkten der Infektion wertvolle Ergebnisse liefern, sind in den letzten 20 Jahren entwickelt worden. Dies gilt für die Humanmedizin und die Veterinärmedizin gleichermaßen.
Wie bewerten Sie die Impfprogramme von Dachsen in Großbritannien?
Die Situation der Tuberkulose in UK, wo Dachse im Infektionszyklus eine bedeutende Rolle spielen, ist eine Besonderheit der betroffenen Region. Da Dachse dort zu den geschützten Wildtieren zählen, ist eine Impfung ein möglicher Weg, den Infektionsdruck zu reduzieren und Infektionsketten zu unterbrechen. Die Zukunft wird zeigen, ob diesen Impfprogrammen nachhaltiger Erfolg beschieden sein wird.
Liegt das Auftreten von Rinder-TB auch an den sehr leistungsfähigen, aber hochgezüchteten und damit anfälligen Tierbeständen?
Die hohen Leistungsanforderungen stellen ein Risiko für den allgemeinen Gesundheitsstatus der Tiere dar. Im Fall der Tuberkulose ist zu bedenken, dass in den meisten Ländern, die aufgrund effektiver Bekämpfungskampagnen in der Vergangenheit den Status „offiziell frei von Tuberkulose“ erreicht haben, die Tuberkulose nicht völlig ausgerottet war. Als dann das Bekämpfungsmanagement in ein Überwachungsmanagement überführt wurde, konnte sich die Tuberkulose in einzelnen Regionen über Jahrzehnte halten oder sogar wieder ausbreiten, da regelmäßig wiederkehrende Untersuchungskampagnen durch andere Maßnahmen abgelöst worden waren. Außerdem hat die Verbesserung der diagnostischen Methoden dazu beigetragen, Verdachtsfälle schneller und sicherer zu erkennen.
Mehr Informationen zu Tuberkulose: Tuberkulose
Friedrich-Loeffler-Institut
Das Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI) ist eine selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. Im Mittelpunkt der Arbeiten des FLI stehen die Gesundheit und das Wohlbefinden landwirtschaftlicher Nutztiere und der Schutz des Menschen vor Zoonosen, d. h. zwischen Tier und Mensch übertragbaren Infektionen. Der Mediziner, Hygieniker und Bakteriologe Prof. Friedrich Loeffler (1852 bis 1915) entdeckte die Erreger verschiedener bakterieller Infektionskrankheiten, beispielsweise Rotz, Diphtherie und Rotlauf sowie das erste tierpathogene Virus, den Erreger der Maul- und Klauenseuche (1898, zusammen mit Paul Frosch): Damit wurde er zum Mitbegründer der Virologie.