Barmherzigkeit: Seele der Medizin.

Zum Heiligen Jahr hat Papst Franziskus kranke oder beeinträchtigte Menschen in besonderer Weise gewürdigt.

Vatikan Stadt, 13. Juni 2016. Zum Heiligen Jahr hat Papst Franziskus kranke oder beeinträchtigte Menschen in besonderer Weise gewürdigt. Höhepunkt des 'Jubiläums der Kranken' war ein Festgottesdienst am 12. Juni auf dem Petersplatz. Die erste Lesung wurde von einem Mann mit intellektueller Beeinträchtigung auf Spanisch vorgetragen, die zweite Lesung von einer nichtsehenden Frau auf Englisch. Mehrere zehntausend kranke und beeinträchtigte Menschen nahmen mit ihren Angehörigen an dem Gottesdienst teil. Auf dem Petersplatz wurden zum Jubiläum sieben Zelte aufgebaut, in denen die Obdachlosen Roms kostenlose medizinische Versorgung erfahren. 

In seiner Predigt nannte es der Papst eine Selbsttäuschung, vor Krankheit die Augen zu verschließen. Er erinnerte daran, dass jeder Mensch früher oder später aufgerufen ist, sich mit Gebrechlichkeit und Krankheit auseinanderzusetzen. Es gehe dabei um den Sinn des Lebens und um die Liebe. Zugleich warnte er vor "frömmelnder Fürsorge", die letztlich dazu diene, "Unvollkommenes zu verschleiern, weil es das Glück und die Unbeschwertheit der Privilegierten gefährdet und das herrschende Modell in Schwierigkeiten bringt." 

Auf Einladung des Vatikans tagten im Vorfeld des Jubiläums leprabetroffene Menschen unterschiedlicher Religionen und forderten eine ganzheitliche und würdevolle Behandlung. Lepra ist eine der ältesten Krankheiten der Welt. Sie ist in vielerlei Hinsicht eine 'paradigmatische' Krankheit – eine Krankheit, die für andere Krankheiten steht. Bei der Lepra werden die Wechselwirkungen von Ungerechtigkeit, Armut und Erkrankung besonders deutlich. 

Matthias Wittrock, Geschäftsführer des Aussätzigen-Hilfswerks Österreich wies darauf hin, dass bis zum heutigen Tag Menschen aufgrund von Krankheiten stigmatisiert, aussätzig gemacht werden. Es gelte, diese Prozesse des 'Aussätzigmachens' zu verhindern. 

Pfr. Edwin Matt, Kuratoriumsvorsitzender des Aussätzigen-Hilfswerks Österreich, machte wie viele Tagungsteilnehmer auf die Macht der Sprache aufmerksam. Sprache schaffe Wirklichkeit. Leprabetroffene Menschen verwehren sich deshalb entschieden gegen die Bezeichnung 'leprös'. Dazu Pfarrer Matt: "Weniger festlegende und eher beschreibende Bezeichnungen vermeiden Stigmatisierung – das Festlegen, Bewerten und Verächtlichmachen einer Andersartigkeit." 

Papst Franziskus brachte es am Vortag der Tagung auf den Punkt: "Barmherzigkeit ist die Seele der Medizin." Das bekräftigte Pater Michele Aramini, Professor für Moraltheologie aus Mailand, zum Abschluss der Tagung: Die Rolle der Religionen bei der Überwindung von Stigma und Armutskrankheit durch eine gelebte Barmherzigkeit sei zentral. Ein waches gesellschaftliches und spirituelles Bewusstsein für Heil und Heilung in der Einen Welt seien notwendig. 

Die Tagung wurde vom Pontificium Consilium pro Valetudinis Administris, dem Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst, organisiert. Der Rat ist direkt von einer wesentlichen Reform betroffen, für die sich die neun den Papst zu wichtigen Verwaltungsangelegenheiten beratenden Kardinäle am 8. Juni 2016 ausgesprochen haben: Empfohlen wird die Zusammenlegung verschiedener Dikasterien wie Cor Unum, Krankenpastoral, Pastoral für Migration und Wanderarbeit mit dem Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden (Iustitia et Pax). 

Iustitia et Pax war auf Anregung des Zweiten Vaticanums als Päpstliche Kommission errichtet worden. Später wurde es als Dikasterium etabliert und unter Johannes Paul II. zum Päpstlichen Rat aufgewertet. Die Aufgabe des Rats ist es, „im Licht der Gerechtigkeit und den sozialen Lehren der Kirche Gerechtigkeit und Frieden in der Welt zu fördern“. Im Kern geht es bei der dem Papst vorgeschlagenen Verwaltungsreform um ein besseres institutionelles Zusammenspiel und um eine stärkere Rechteorientierung, für die auch die vatikanische Tagung zur Lepra in eindrucksvoller Weise stand. 

Relevante Dokumente: 

Tagungsankündigung. 

Tagungsprogramm. 

Predigt am Sonntag, 12. Juni 2016 zum Jubiläum der Kranken und Menschen mit Beeinträchtigungen. 

Abdel Latif Chalikandi, Tawasul Europe Center für Dialog und Forschung: "Menschenwürde und ihre Beziehung zu Krankheit, Leiden und Heilung - Eine islamische Perspektive." Vortrag auf der Tagung zur ganzheitlichen Betreuung von Menschen mit Leprabetroffenheit, Vatikan Stadt, 9. bis 10. Juni 2016.
Vortragstext zum Nachlesen. 

Wg. Empfehlung zur Verwaltungsreform. 

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